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Zuckerhütl
Wieder so ein Tag: grau, feucht, tief hängende Wolken, Niesel, dazu arschkalt. Das seit Tagen angekündigte Superhoch läßt weiter auf sich warten. Da jedoch die Anzahl unserer freien Tage limitiert ist, beschließen wir, das Wetter nicht so elend zu finden, wie es aussieht und nach dem Mittag zur Sulzenauhütte aufzusteigen. Bis oberhalb der Grawaalm überlassen wir den Aufstieg unseren gut 100 Benzinpferdestärken, dann trotten wir etwas lustlos in knapp zwei Stunden hinauf zur Hütte. Hier verbringen wir, gut bewirtet, zusammen mit vielen Hüttenwanderern den Rest des Tages.
Der nächste Morgen begrüßt uns mit blauem Himmel und dicken weißen Wolken. Voller Elan starten wir den Aufstieg auf den Wilden Freiger. Doch gleich an der Hütte müssen wir uns entscheiden, links hinauf zum Normalweg über die Seescharte oder rechts auf dem Lübecker Weg über frisch verschneiten Gletscher und (Kletter-)Steig. Meine Angst sagt links, unsere Abenteuerlust rechts. Also rechts!
Vorbei an der Blauen Lacke und einer Moränen-Abbruchkante steigen wir aufwärts. Oberhalb des Gletschers mit dem hübschen Namen Fernerstube stolpern wir noch etwas durch Schutt und Blockgeröll, dann wechseln wir hinüber auf den jungfräulich verschneiten Firn. Erst hart am Rand, dann mehr zur Mitte hin wandern wir hinauf. Plötzlich stecke ich bis zur Hüfte in einer Spalte. Die ist zwar nicht groß genug, um mich samt Rucksack ganz zu verschlingen, aber wir sind gewarnt. Wir erklimmen eine Steilstufe … und finden uns in einer dicken Wolkenbank wieder. Die Sicht ist arg reduziert und so geht es in Tuchfühlung zu den Felsen weiter aufwärts. Schon bald erreichen wir die Lübecker Scharte. Zunächst folgt eine lustige Blockkletterei auf dem Nordwestgrat, gut markiert und zum Teil mit Drahtseilen versichert.
Aber je höher wir kommen, umso mehr pulvriger Schnee liegt zwischen den Felsen. Was als Spaß begann, setzt sich nun als hochkonzentriertes, teils heikles Klettern fort. Gelegentlich geht uns schon mal der Weg aus. Außerdem weiß man nie, ob fester Fels oder loses Geröll aus dem Schnee hervorschaut.
Dabei sind wir nicht nur in dichte weiße Wolken gehüllt, es herrscht auch absolute Stille, nur unterbrochen vom Knirschen des Schnees unter den Bergstiefeln. Aber langsam kommen wir höher. Noch vor Erreichen des Südwestgrates steigen wir über die Wolken - und sind fasziniert. Es ergeben sich Blicke wie aus dem Flugzeug, unter uns ist eine geschlossene Wolkendecke. Nur einige hohe Stubai- und Tauerngipfel schauen daraus hervor. Schließlich biegen wir auf den Südwestgrat ein und klettern, nun wieder öfter von Drahtseilen unterstützt, hinauf auf den Gipfel des Wilden Freiger. Nach fünf Stunden lassen wir uns an dessen Kreuz zu einer ausgiebigen Rast nieder. Gleichermaßen widmen wir uns dem kulinarischen Inhalt unserer Rucksäcke und der tollen Aussicht.
Unter uns können wir schon das Becherhaus ausmachen, die höchstgelegene Hütte Südtirols. Zumindest in den Ostalpen dürfte es nicht viele Hütten geben, die sich in ähnlich grandioser Lage befinden. In kaum einer Stunde bummeln wir hinab und nehmen den kurzen Gegenanstieg.
Und nun erleben wir, daß nicht nur die Lage, sondern auch das Personal fünf Sterne verdient: ausgesprochen freundlich, kompetent, effizient!
Halb sechs am Morgen erwacht die Hütte. Sonnenaufgang am Becherhaus, ein Erlebnis! Nach dem gemütlichen Frühstück starten wir über den Übeltalferner hinüber zum Wilden Pfaff. Dessen Ostgrat hat die Sonne am Vortag schon vom meisten Schnee befreit, so daß wir hier ungetrübten Kletterspaß genießen können. Nach neunzig Minuten erreichen wir den Gipfel, halten kurze Rast und Rundschau. Doch es hält uns nicht lange hier oben. Denn gleich gegenüber steht das stolze Zuckerhütl, der Höchste der Stubaiberge. Also steigen wir über Firn und vereistes Geröll hinab in den Pfaffensattel und im Gegenanstieg das Gipfelschneefeld zum Zuckerhütl hinauf. Die Steigeisen greifen gut im morgendlichen Firn und so gelangen wir schnell höher. Es wird richtig steil, auf allen Vieren, unterstützt von Frontzacken und Pickel erreichen wir die ersten Felsen. Wir halten uns rechts, durch Schneerinnen und über leichte Kletterstellen gelangen wir rasch zum Gipfel. Wir sind die ersten heute morgen und so genießen wir die Stille hier oben. Als die nächsten Besteiger erscheinen, haben wir bereits in aller Ruhe gerastet, gegessen, geschaut.
Zum Abstieg wählen wir die Felsen südlich des Grates, klettern durch sie hinunter bis zum Schneefeld und sausen auf diesem hinab zum Pfaffensattel. Dann wandern wir über den Sulzenauferner hinüber zum Pfaffenjoch, steigen durch Blöcke und Geröll hinüber und hinab zum Fernaujoch und im mühsamen Gegenanstieg über den Gaißkarferner hinauf zur Bergstation Schaufeljoch. Den weiteren Abstieg überlassen wir ohne schlechtes Gewissen der Stubaier Gletscherbahn, gelangen so ganz entspannt ins Tal und treten noch am selben Tag die Heimfahrt an.
Juli 2008
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