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Teide
Leicht verstaubt und etwas übermüdet durchqueren wir das Foyer unseres gutklassigen Hotels. Während das Personal geflissentlich wegschaut, folgen uns die Blicke zweier älterer, goldbehangener Damen bis zu unserem Zimmer. Die Bergschuhe und der große Rucksack geben ihnen offensichtlich Rätsel auf. Wie könnten sie auch ahnen, daß wir heute Spaniens höchsten Berg erstiegen haben. Nach einer ausgiebigen Dusche mischen wir uns wieder unter die Masse der sonnenhungrigen Pauschalurlauber am Hotelpool.
Eigentlich begann alles viel früher. Mitten in meine Pläne von einem Wanderurlaub in den Alpen platzte der Rest der Familie mit dem Wunsch nach Ferien am Meer. Da war guter Rat teuer. Doch nach dem Studium umfangreicher Reiselektüre stand unser Ziel fest. Teneriffa!
Diese Insel des ewigen Frühlings wartet mit zahlreichen Stränden und ihre Lage, nur wenige hundert Kilometer vor der Küste Afrikas, ist Garant für gutes Wetter. Wenn wir auch die letzten Vulkanausbrüche um etwa hundert Jahre verpassen werden, so haben diese doch eine faszinierende Landschaft und ein erstklassiges Wanderrevier hinterlassen. Von Spaziergängen in Pinien- und Kiefernwäldern bis hin zu ganztägigen Hochgebirgstouren reicht die Palette der Möglichkeiten.
Den nötigen Beinschmalz für die Teidebesteigung holen wir uns bei mehreren kleineren und größeren Wanderungen. Etwa bei der zur Pasaje Lunar, dieser phantastisch geformten Mondlandschaft. Oder bei der Besteigung des Guajara, dem höchsten der Caldera-Randberge.
Unser Canonfieber stillen wir im Barranco del Infierno und in der großartigen Mascaschlucht.
Dann ist es soweit. Vormittags baden wir noch im Meer. Nach dem Mittag geht es hinauf in die Caldera. An der Canadasstraße, etwa drei Kilometer von der Talstation der Seilbahn entfernt, parken wir das Auto. Von hier wandern wir auf einem breiten Weg in weiten Schleifen zum Ostfuß des Teide. Wir passieren die Teideeier, große runde Lavabrocken. Dann wird der Weg steiler, durch Lavageröll- und Ginsterfelder steigen wir auf. Irgendwann stehen wir am Refugio de Altavista. Wir sind die einzigen Gäste in dieser ursprünglich recht mondänen, jedoch ziemlich heruntergekommenen Hütte. Es gibt weder Strom noch Wasser oder Verpflegung. Und da der Hüttenwirt keinen Brocken Deutsch oder Englisch spricht, unser Spanisch aber nach der Begrüßung fast ausgeschöpft ist, liegen wir beizeiten lang.
Am nächsten Morgen, zwei Stunden vor Sonnenaufgang, setzen wir die Wanderung fort. Im Licht von Mond und Taschenlampe suchen wir den Weg nach oben. Wir erreichen die Rambleta mit ihrem Panoramaweg, wenden uns auf diesem nach links. Kurz vor der Bergstation zweigt der Gipfelweg ab. Allerdings warnen Schilder vor einem weiteren Aufstieg, aus Landschaftsschutzgründen werden Touristen hier zurückgehalten. Da es noch dunkel ist und wir die einzigen Verrückten am Berg sind, gehen wir weiter. Bald erreichen wir den kleinen, mit Schwefeldämpfen erfüllten Krater und kurz darauf den höchsten Punkt. Wir suchen Schutz vor dem eisigen Wind und warten auf die Sonne. Schließlich ist es soweit, ein unvergeßliches Schauspiel tut sich vor uns auf.
Zuerst wird der Gipfel des Teide in rotes Licht getaucht, dann die Caldera-Randberge und die anderen Gebirge der Insel. Der Schatten des Teide reicht bis zur weit entfernten Insel Gomera. Wir bewundern das großartige Panorama und steigen dann hinab zur Bergstation.
Gegen neun Uhr nimmt die Seilbahn ihren Betrieb auf und bringt die Nationalparkwächter und erste Ausflügler nach oben. Wir haben um diese Zeit längst gefrühstückt und uns von der Sonne auftauen lassen.
Juni 1995
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