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Ortler
Wieder rollen wir nach Süden, fahren über den Reschenpaß nach Südtirol und hoffen auf erste Blicke hinüber zu unserem Ziel. Doch weit gefehlt, entgegen den Wetterprognosen verhüllen dichte Wolken den Ortler. Dieser galt früher als König Tirols, ja der ganzen Ostalpen. Beide Titel wurden ihm genommen, doch das ist menschengemacht. Sein königliches Antlitz hat er nicht abgelegt und so macht er sich noch heute gut im Tourenbuch von Bergverrückten jeglicher Couleur.
Von Sulden blicken wir hinauf in einen trüben Himmel und zu einer Payer-Hütte, die eben noch daraus hervorschaut. Für mich als Schönwetterbergsteiger sind dies nicht die richtigen äußeren Umstände. Aber was soll's, wir hoffen auf Besserung und steigen auf bequemen Wegen in drei Stunden zur prächtig gelegenen Payer-Hütte hinauf.
Morgens um halb sechs geht das Licht im Schlafraum an, es herrscht allgemeines Durcheinander. Nach dem Frühstück brechen wir im ersten Licht des Tages zur Gipfeltour auf. Ein heftiger Wind hat den Himmel blankgeputzt, ein wolkenloser Tag wartet auf uns. Schon kurz nach der Hütte verliert sich der unmarkierte Weg im Fels. Wir überklettern noch eine Felsrippe, als unter uns eine Führerseilschaft entspannt vorbeispaziert. Doch kurz darauf gehen auch wir auf bequemen Weg hinab in die Scharte, zum Fuß des Wandl's. Hier geht es an Ketten steil, aber ohne Probleme, nach oben. Der nach der nächsten Einschartung wartende Grat ist da schon deutlich ausgesetzter und an einigen Stellen sichern wir uns gegenseitig an den Eisenstiften. So erreichen wir den unteren Rand des Gletschers.
Mit Steigeisen wandern wir in weitem Linksbogen, einigen Spalten ausweichend, zum Bärenloch, einem Gletscherbecken unterhalb des Bivacco Lombardi. Hier verzweigt sich der Weg, wir gehen geradeaus und klettern die etwa zehn Meter hohe Felswand hinauf. Oben steigen wir zum Firngrat, diesen weiter hinauf und steil durch einen Gletscherbruch. Schließlich legt sich der Hang etwas zurück, der Gletscher wird friedlich, entspannt gehen wir hinauf und erreichen nach drei Stunden und fünfzehn Minuten den höchsten Punkt Südtirols. Wir genießen die großartige Aussicht, schießen die üblichen Gipfelfotos und verziehen uns dann in den Windschatten etwas unterhalb des Kreuzes.
Nach ausgiebiger Rast und Rundschau steigen wir auf dem Anstiegsweg wieder hinab. Das Abklettern am Biwak geben wir schnell auf und seilen uns ab. Unten im Bärenloch staunen wir, was am Morgen noch als Sérac oberhalb des Weges stand, liegt jetzt zum Teil in großen Eisblöcken auf und neben diesem. Also nehmen wir die Beine in die Hand und steigen erst nach Passieren der Gefahrenzone wieder gemütlich abwärts. Am Felsgrat geben wir noch einmal acht, das Gelände verzeiht keine Fehler.
Doch schließlich können wir auch das Seil verpacken und erreichen gegen Mittag wieder die Payer-Hütte. Auf deren Terrasse genießen wir ein erstes Radler.
Am Nachmittag steigen wir ab Richtung Sulden. Im Steilstück unterhalb der Tabarettahütte gibt mir mein linkes Knie unmißverständlich zu verstehen, daß es für dieses Jahr genug hat von diesen Zweitausendmeter-Abstiegen mit schwerem Gepäck. So einige ich mich mit ihm auf den fast ebenen Weiterweg hinüber zur Bergstation des Langenstein-Lifts. Von da schweben wir entspannt die letzten fünfhundert Höhenmeter hinab zum Ausgangspunkt der Tour.
September 2006
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